Einbürgerung erleichtern
Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die Staatsangehörigkeit darf, auch als Lehre aus dem nationalsozialistischen Unrecht, nicht entzogen werden. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser Gesellschaft geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können, auch für anerkannte Geflüchtete gilt ein beschleunigtes und vereinfachtes Einbürgerungsverfahren. Den Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir zurücknehmen und die Einbürgerungsverfahren entbürokratisieren. Hindernisse bei der Identitätsklärung, die nicht in der Hand der Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht angelastet werden. Für binationale Familien und Paare, egal ob mit oder ohne Trauschein, wollen wir die Einreise unbürokratisch und fair gestalten. Um sich in Deutschland ein Leben aufzubauen, braucht es langfristige Perspektiven.
Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch für Menschen, die ihre Talente und Fähigkeiten nicht durch formale oder anerkannte Bildungsabschlüsse nachweisen können –, das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet, das globale und regionale Notwendigkeiten berücksichtigt . Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs eine punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration über Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.
Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von Anfang an
Ankommen ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft ein wechselseitiger Prozess mit dem Ziel, gleiche Zugänge und Teilhabechancen in allen Bereichen des Lebens zu schaffen. Er stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch an alle, die schon länger hier leben, und gelingt nur, wenn alle zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg einschlagen. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes die Grundlage. Der Zugang zu und die Teilnahme an Sprachkursen ist essentiell, deshalb treten wir dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen, gut erreichbaren und bundesfinanzierten Sprach- und Integrationskursen haben. Besonders wollen wir die Zugänglichkeit der Kurse für Frauen sicherstellen und auch Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten aufbauen. Denn derzeit ist das für viele Personen, etwa Familiennachzügler oder EU-Bürger*innen, nur schwer und kostenpflichtig möglich.
Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an weiterführenden Sprachkursen aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind eine dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der unterschiedslose Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit, also die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. So stärkt gezielte Unterstützung den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf europäischer Ebene einen kommunalen Integrationsfonds auflegen, um EU-weit das Ankommen in den Kommunen direkt zu unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen gestärkt und aufgebaut, Dolmetschleistungen im Gemeinwesen finanziert, zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben, brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung. Für anerkannte Flüchtlinge wollen wir die Hürden für die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union absenken.
Asylverfahren fair und transparent
Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet sind und eine Entscheidung in angemessener Zeit erfolgt. Dafür muss die Identifizierung besonderer Schutzbedarfe vor der Anhörung erfolgen. Insbesondere die Berücksichtigung erlittener geschlechtsspezifischer Verfolgung und die dazugehörige Beratung im Asylverfahren sind zu gewährleisten. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben. Dazu gehören eine ausreichende personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die auf mögliche 18 Monate verlängerte Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen rückgängig machen auf maximal drei Monate. AnkER-Zentren in ihrer jetzigen Form lehnen wir ab. Danach sollte das dezentrale Wohnen immer Vorrang haben.
Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu Kitas, Schulen und anderen Bildungsangeboten garantieren. Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen Widerrufsprüfungen durch das BAMF und optimieren das Asylprozessrecht. Anträgen auf Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin- Verordnung ist schnell zuzustimmen. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen – und damit eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die ein echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage sowie Leistungskürzungen wollen wir abschaffen. Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Aushöhlungen des Aufenthalts- und Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Wir wollen insbesondere den Schutz von Geflüchteten, die Menschenrechtsverletzungen erlebt haben oder schwer erkrankt sind, garantieren. Die Ausrufung „sicherer“ Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene. Flughafenverfahren sowie sofortige Zurückweisung an den deutschen Binnengrenzen wollen wir abschaffen. Ein pandemiebedingter Verlust von Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplätzen darf nicht zu aufenthaltsrechtlichen Nachteilen führen.
Raus aus der Duldung
Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche Zusammenleben gut. Rechtliche Unsicherheit und fehlende Teilhabechancen erschweren es massiv, anzukommen und in Deutschland ein Zuhause zu finden. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. In Fällen, in denen Menschen trotz nachgewiesener ernsthafter Bemühungen keinen Nationalpass erhalten können, wollen wir einen Passersatzausweis ausstellen, wenn die Betroffenen in Deutschland geboren sind und ihre Identität geklärt ist. Durch die Umwandlung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Aufenthaltsrechte verschaffen wir den Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für Planungssicherheit in den Betrieben. Opfer von Menschenhandel sollen ein sicheres Bleiberecht bekommen.
Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Aufenthaltsrecht erhalten und bei denen keine Abschiebehindernisse entgegenstehen, müssen zügig wieder ausreisen. Wir wollen dies durch umfassende und unabhängige Beratung und Unterstützung begleiten. Jede Abschiebung ist mit großen menschlichen Härten verbunden. Abschiebungen, zum Beispiel über Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die Rückkehr verweigert wird, freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Haft ohne Verbrechen zur Durchsetzung der Ausreise ist ein massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht. Die Berücksichtigung des Trennungsgebots und die Gewährung von Rechtsbeistand ist daher sicherzustellen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer werden wir beenden, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan bundesweit wieder einsetzen. Wir treten dafür ein, dass es keine Zusammenarbeit mit syrischen Behörden für Abschiebungen geben und die Abschiebepartnerschaft mit Afghanistan beendet wird. Die Ausweisung sicherer Gebiete darf keine Grundlage für Rückführungen in unsichere Länder begründen. In Länder, für die das Auswärtige Amt aufgrund von Covid-19 eine Reisewarnung ausgesprochen hat, darf nicht abgeschoben werden.